SÜB-MANIFEST: Macht die Kulturstadt Bayreuth lebendig!

Nach der grundlegenden Podiumsdiskussion am 18.2. im Forum Phoinix mit VertreterInnen der Stadt, der Politik und der Kulturszene ist es an uns, diese Ergebnisse in ein MANIFEST zu gießen, das nur ein Ziel hat: Endlich eine lebendige Kulturstadt Bayreuth. Dieser Text ist wortgleich im Nordbayerischen Kurier am 26.02.2014 zu lesen:

BESETZT DIE LEERRÄUME!
Strategien gegen den kulturellen Ausverkauf!

Wir fordern kulturelle Vielfalt in der Stadt. Nicht als Unterhaltungsprogramm, sondern als Standort-Faktor: Zugezogene, Wiedergekommene und viele Dagebliebene haben ein flaues Gefühl, wenn sie über Bayreuth nachdenken. Wo ist mein Stück Beheimatung, wo ist das überspringende Lebensgefühl, wo ist die Lust, die Freude, wo der Impuls? Warum empfinden wir uns hier nicht „beheimatet”, getragen von diesem gewissen Stolz, hier leben zu können? Es gibt doch Wagner, Liszt und Jean Paul, es gibt doch ein Kunst-, ein historisches, ein Wahnfried -Museum? Wir sind doch alle Weltkulturerben!

Und dazwischen? Jede Menge Leerräume. Hier ist der Hund begraben! Es ist die Vergangenheitsform, diese museale Selbstbezogenheit, die uns dieses Unbehagen bereitet: Historisierende Leblosigkeit als Methode, Bewahren als Religion. Museales braucht den Gegenpart, das pulsierende Leben, braucht die Zukunft, die Vorwärtsbewegung, vor allem auch das Flirren der Gegenwart: In diesem Spannungsfeld zwischen ausgestelltem Gestern und zukunftsorientiertem Erprobungsraum entsteht Leben. Kultur ist immer ein sich stetig fortentwickelnder, Reibungswärme erzeugender, lebendiger Organismus. Kultur ist ein Dialog zwischen Schaffenden und Publikum, ein Anstoß, immer auch ein Zukunftsprojekt, utopisch, visionär, auch mal größenwahnsinnig. Die Reduktion auf ein mantramäßig vorgetragenes Rezitieren der Vergangenheit mag dem Eventtourismus nutzen, den BewohnerInnen dieser Stadt dient sie nicht.

1. BAYREUTH BRAUCHT KEINE NEUEN MUSEEN – BAYREUTH BRAUCHT ORTE FÜR LEBENDIGKEIT!

Hört auf, über weitere vergangenheitsbezogene Museen und historisierende Infotafeln nachzudenken. Davon haben wir längst genug. Unterstützt die Menschen, die Lebendigkeit in die Kultur bringen, die das Leben feiern. Gebt ihnen Räume für ein pralles Bayreuther Lebensgefühl – nach innen und nach außen. Sichert das Haus in der Kämmereigasse 9 ½, das Forum Phoinix, als einen dieser neuen Orte. Gebt den so genannten Zwischen-Nutzern, die dies übrigens schon seit nunmehr 12 Jahren sind – und damit in euren Worten Gewohnheitsrecht haben – endlich eine Rechtsform und eine verlässliche Sicherheit mit Mietvertrag. Nehmt ihnen die Ungewissheit, bereits morgen wieder auf der Straße stehen zu können. Und fordert deren Einsatz ein, diesen Ort als Fixpunkt der lebendigen Kultur zu hegen und zu pflegen. Macht die Kämmereigasse 9 ½ zum offiziellen Künstlerhaus.

2. SCHAFFT PLÄTZE DER INFORMATION UND ÖFFENTLICHKEIT!

Das ist keine Frage der knappen Kassen, das ist eine Frage des Wollens, der Vision und der Umverteilung! Kleines Geld mit großer Wirkung: Eine Litfass-Säule im Zentrum der Stadt, eine auf dem Campus,  die von nicht-kommerziell orientierten KulturmacherInnen, regionalen Bands, Studenteninitiativen und Projektgruppen genutzt werden, um Ihre Projekte und Termine öffentlich zu machen. Eine Website, die diesen Gruppen und Initiativen zur Benutzung offen steht. Feiert das große Potential der Stadt, indem ihr es öffentlich macht.

3. HOLT DEN CAMPUS IN DIE STADT – BRINGT DIE STADT AUF DEN CAMPUS!

Das Glashaus beweist es, Campus Kandinsky beweist es, die Schoko, Sübkültür und Forum Phoinix beweisen es – offene Räume bringen Menschen zusammen. Laboratorien, Experimentierfelder, Orte frei von kommerziellen Interessen, Räume zum Machen, Platz zur Realisierung eigener Ideen. Mund auf, Augen auf, Ohren auf. Wo gibt es Proberäume für Bands, Ateliers für Künstler, Plätze des Miteinanderredens? Schafft diese Orte und schafft damit Knotenpunkte des Austauschs – das Glashaus oder das Foyer des Audimax als offenes Kulturbüro der Stadt auf dem Campus. Das Iwalewahaus, das Projektbüro „Aktive Zentren” oder ein neues Künstlerhaus als Pipeline der Universität für die Stadt. Schafft dafür Arbeitsplätze. Kommuniziert diese Orte, so dass die Engagierten und Interessierten wissen, wo sie Informationen und Unterstützung für ihre kulturellen Angelegenheiten finden.

4. FÖRDERT DAS NEUE – UND PROFESSIONALISIERT DEN ENTHUSIASMUS!

Der Reflex ist bekannt: Wird das Geld knapp, verschanzen sich die zuvor Begünstigten in ihren Stuben. So werden alteingesessene Kulturinstitutionen mit einem ebenso alten Angebot überleben und weiterhin in ihren verstaubten Büros sitzen. Deren Künstler stauben mit – und verarmen trotzdem. Denn die Fixkosten sind von solchen Kürzungen nie betroffen, sondern immer nur die variablen Ausgaben, z.B. für Künstler-Engagements, für publikumsschaffende Öffentlichkeitsarbeit und für eine progressive Programmgestaltung. Die Veranstalter müssen sich auf Marktmagnete konzentrieren, die sich vordergründig lohnen. Das führt zur paradoxen Situation, dass bei zugleich immer weniger Programmen immer mehr Programme zu finden sind – letztere aber immer unterfinanziert eigeninitiativ  und immer in übermächtiger Konkurrenz mit durchreisenden Stars. Diejenigen, die keine Starkunst sondern die vielfältigen Facetten einer lebendigen Kultur präsentieren wollen, können nur noch improvisieren, Halbfertiges und gut Gemeintes abliefern. Sie sind zur Selbstausbeutung verdammt. Deswegen: Schafft in den schrumpfenden Etats Sondertöpfe für Neues, konzentriert dieses Neue, helft bei der Professionalisierung und lasst nicht zu, dass nur noch Ehrenamt Neues versucht. Dem Ehrenamt fehlen zumeist Erfahrungen und Ressourcen, es kann deswegen nichts bewirken, kann nicht professionell arbeiten und schaffen so keine Nachhaltigkeit.

5. BAYREUTH BRAUCHT EIN KÜNSTLERHAUS!

Beispiele für funktionierende Künstlerhäuser gibt es deren viele. Selbstverwaltet, mit öffentlichen Mitteln gefördert und von kulturgetriebenen Einwohnern getragen. Durch privat initiierte Stipendien belebt, kommunal verankert und über langfristige Mietverträge gesichert. So entsteht Raum und Platz für StadtschreiberInnen, für AbsolventInnen von Kunsthochschulen, für MusikerInnen und für Vielfalt. Ja, das kostet Geld. Aber für das Geld, das für die Fahnen während der Jean Paul- und Wagner-Jubiläumen ausgegeben wurde, lassen sich zumindest zwei Stipendien finanzieren. Mit der richtigen Auswahl der Künstler – siehe Ex-Stadtschreiber Volker Strübing – erzielt man Nachhall, Nachhaltigkeit und Nachdruck. So schafft man Identifikationsmöglichkeiten für BayreutherInnen, die sich mit „unserem Stadtschreiber”, „unserer Musikerin”, „unserem Bildhauer” stolz zeigen können. Es  gibt jede Menge Kulturmacher in der Stadt, die diese Auswahl und die Präsentation der Stipendiaten problemlos leisten können.

6. SPART DAS GELD FÜR EINEN NEUEN KULTURREFERENTEN – INVESTIERT IN EIN GREMIUM BAYREUTHER KULTURKENNER!

Ein Kulturreferat birgt große Gefahren – aus der Vergangenheit leidlich bekannt: SelbstdarstellerInnen, genreabhängige Liebhaber, Nicht-Kommunikatoren. Dafür sind 200.000,- Euro Jahresetat zu viel Spielgeld, zumal der Stadtsäckel bekanntlich leer ist. Wir fordern: Verhindert den Death by Bureaucracy. Nutzt die Ressourcen, die in der Stadt längst vorhanden sind: Das Iwalewahaus, das Kunstmuseum, die Musica Bayreuth, das LiteraturCafé, das Jazzforum, das Zentrum, die Sübkültür, das Forum Phoinix, Silixen, Steingräber, das Festival der jungen Künstler, die BAT CampusGalerie, die Studiobühne, die Kulturfreunde, das kontrast-Filmfest, die Schoko, die Medien-, Theater- und Musikwissenschaften, die Musikschule, das Deutsch-Französische Forum, die Wagners und vieles mehr – es steckt soviel Potential in dieser Stadt – und ein Kulturamt. Befreit den derzeitigen Interims-Kulturreferenten Carsten Hillgruber von unnötigen Ballast-Aufgaben, gebt ihm die Möglichkeit, sich auf diese kulturelle Koordinationsarbeit zu konzentrieren. Setzt die veranschlagten 200.000,– Euro nicht für einen Kopf, sondern für viele Köpfe ein, bedient euch dem Prinzip des Crowd Sourcings. Bayreuth ist reich an Kultur-Enthusiasten, vernetzt sie, verknüpft sie, koordiniert sie und nutzt gemeinsam den bereits bestehenden kulturellen Willen. So schaffen wir eine Kultur, die aus und von uns kommt. So wird Bayreuth zu einem lebendigen Ort, der von innen wächst – wir brauchen das Botox eines zugekauften Schönheits-Referenten nicht. So lernen wir auch aus den Fehlern der Vergangenheit!

7. DENKT NEU – UND BEFREIT EUCH VON ALTEN DOGMEN!

Denkt nicht klein: Hier ein Leuchtturmprojekt, da ein zu stopfendes Loch, dann die nächste Wahl – so geht es immer weiter und weiter. Es ändert sich: Nichts! Deswegen: Befreit eure Köpfe von alten Zöpfen und wieder kehrenden Mechanismen und schafft Freiräume für neues, kritisches Denken.
Crowd-Sourcing: Vernetzt euch und nutzt das Potential der Vielen.
Selbst-Verwaltung: Gewährt Initiativen Freiräume, traut Ihnen alles zu und stattet sie mit vernünftigen Mitteln aus.
Standort-Faktor: Besinnt euch auf eure Stadt. Nutzt deren Menschen und deren Potentiale. Die Strahlkraft einer Stadt kommt aus sich selbst und nicht aus Markenstrategien von Irgendwo.
Verlasst eure Elfenbeintürme und geht dorthin, wo die Menschen sind. Redet mit ihnen, hört ihnen zu und zieht daraus die richtigen Schlüsse.
Besetzt die Leerräume in den Köpfen und in den Straßen. Füllt die Leerstände mit kulturellem Leben. Gebt den BayreutherInnen Räume des Zusammenkommens – für ein Programmkino, für Galerien, für Proberäume für Bands, für Kleinkunst jenseits des kommerziellen Star-Theaters. Schafft Vielfalt. Die Experimentallabore der Schoko, des Forum Phoinix und der Sübkültür beweisen, dass es geht.

Merke: Kultur ist kein Luxus – Kultur ist ein Grundbedürfnis, ein Standort-Faktor und das Prinzip für eine lebenswerte, lebendige Stadt.

Ein Manifest des Kültürklüb e. V. im Forum Phoinix

2 Comment

  1. Tina Leistner sagt:

    Die Kleinkunst in Bayreuth muss einfach mehr gefördert werden.

  2. […] Am 1.03. erschien dieser Kommentar von Florian Zinnecker, Kulturredakteur des Nordbayerischen Kuriers, auf das Süb-Manifest, das am 26.02. ebenfalls im Nordbayerischen Kurier abgedruckt wurde (unter diesem Link ist der Original-Text des Manifests nachzulesen): […]

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